31 Juli 2012

Lieber mit 90er Schnitt auf'n Acker als langsam rumkommen

Tja, die überschrift verrät es. Wir sind einmal wieder außengelandet.
Zum Wetter: Eine Front nähert sich von Westen. Berechnet erreicht sie unser Flugeinsatzgebiet am späten Nachmittag. Unsere AAT führt zuerst in die Nähe von Wittenberg, um dann den nächsten Wendepunkt im Nordosten folgen zu lassen. Windrichtung Südwest. 25km/h.

Schon vor dem Abflug bemerken wir abschirmende Bewölkung im Südwesten. Unser Plan, nördlich der Elbe zu fliegen, wird - wie für alle anderen auch - zur einzigen Streckenmöglichkeit. Die erste Wolke nach dem Abflug enttäuscht uns. Die Zweite auch - und schon sehen wir das Pulk in einem großen Höhenband vor uns kreisen. Sollte es wieder ein guter erster Schenkel werden?

Die labil-pulsierende Luft bringt uns wieder an die Basis und weiter Richtung ersten Zylinder mit Radius 30 Kilometer. Als wir - höhenmäßig leider getrennt - die Wende nehmen, ist im Westen nichts als Grütze und fehlende Einstrahlung. Erste Wende ausfliegen? Nicht möglich. Also die zweite? Wir werden sehen. Auf Schenkel zwei sind wir gut unterwegs, denn Wolkenstraßen ermöglichen uns fast einen 100er-Schnitt. 1600 Meter Basis. Kaltefüßewetter. Unser Fehler passiert jetzt: wir fliegen die zweite Tonne viel zu weit aus, wenden und finden uns nach 30 Kilometern in Richtung Heimat in abschirmender Bewölkung wieder. Die Thermik versiegt schlagartig, der Gegenwind nicht: Die Front war schneller als wir dachten. Die Front war schneller, als viele es dachten. Hilft nichts.

Wir spulen den Flug vor unserem geistigen Auge ab, als Boote den Biergarten umfahren, in dem wir sitzen, und stellen fest: Der Apfelstrudel ist für seinen Preis viel zu klein, das Radler liegt hingegen im Rahmen. Wassersportler und Freizeitkapitäne schwirren umher. Wir sehen zum ersten Mal nach einer unserer zahlreichen Außenlandungen junge Menschen und sind verdutzt: Es ist ein Ferienort. Das Naturparadies für Berliner, mit viel Wasser, Wald und ein paar Hügeln - aber ohne Thermik, wenn es drauf ankommt.

Rückhole kann Spaß machen. Muss aber nicht.

Als wir zurück zum Feld kommen, wartet dort schon jemand und bereitet uns einen humoristischen Ausklang des Tages.

Fremder Mann: Gehört Ihr dazu?
Team IJK-BP-BD: Ja wir sind die Piloten.
Fremder Mann: Sie können doch die Flugzeuge da nicht so unfachmännisch stehen lassen. Da sind ja noch Fallschirme und Wertsachen drin. Ich bin selber Segelflieger und habe bis zur C geschult. Da sind ja nicht mal die Klappen draußen und die Flächen sind auch nicht gesichert. Hört mal: wir haben Gewitterluft. Ich habe jetzt die Polizei gerufen, weil die Flugzeuge da unbeaufsichtigt standen.
Team IJK-BP-BD: Naja, wir kennen eigentlich nur Segelflieger, die auch etwas essen und trinken nach der Landung und deshalb das Flugzeug verlassen. Außerdem sind wir in toter Luft gelandet. Und wirklich starker Wind ist jetzt auch nicht grade.

Dann verließen wir den verwirrten Menschen und gingen auf unsere Wiese, die friedlich, mit drei Flugzeugen ausstaffiert, unter dem wieder leicht aufreißenden, ansonsten aber bedeckten und viel zu friedlichen Wolkenhimmel lag, bauten Batterien aus, zogen Tape von der Fläche und warfen einen Blick auf die Fahrradmeute am Rand unseres neugegründeten Flugplatzes, als drei Autos mit Segelflugzeuganhängern die Wege zu uns einschlugen.

30 Juli 2012

Boule Sessions

Was machen Piloten und ihre Helfer, wenn neutralisiert wird oder sie im Grid auf den Start warten?

Jonas gewinnt in dieser Sekunde bei einem Statik-Spiel mit Holzbauklötzen.
Monopoli in der Ferienwohnung.
Boule - das Präzisionsspiel.
Boule unter teueren Voraussetzungen.

Boule unter teuren Voraussetzungen - Teil II

Zur Abwechslung: Neutralisiert bei Wolkenthermik

Gestern wurde die Standardklasse von vornherein im Briefing neutralisiert. Der andauernden Fliegerei wurde zur Abwechslung ein Volleyballturnier gegenübergestellt.
Der Startaufbau fand vorerst nicht statt. Im Briefing wurde uns bestätigt, was wir zuvor auf dem Satellitenbild gesehen hatten: Eine Troglinie zieht von West nach Ost. Um viertel nach Elf würde man uns sagen, ob es zu einem Startaufbau kommen würde - oder nicht.


Der Liveticker bestätigt unsere Befürchtung: obwohl von Westen her die hohe und mittelhohe Bewölkung hereinzieht, müssen wir aufrüsten, die Mücken aus Torgau abpolieren, tanken und das Flugzeuge ins Grid ziehen.


Um fünf nach halb drei, nach einem Feldbriefing, steht die AAT für unseren Tagesausflug bei 30km/h Wind fest. Mindeststrecke 119 Kilometer. Die Clubklasse startet. Unsere Standardklasse hängt unter den Wolken. Abflug frei um 16 Uhr und vier Minuten. Oder doch nicht?

Nein, doch nicht: Alle Kennzeichen der Klasse werden abgefragt. Vier Piloten werden per Funk nicht erreicht. Stimmen werden laut: von Südwesten her liegt eine Abschirmung über der Elbe. Die Wirkungsabsicht der Aussagen ist klar - dort möchte jemand nicht fliegen. Nach professionellem Mauern erklingt die resignierte Stimme des Sportleiters im Funk: Die Standardklasse ist neutralisiert. Na klasse. Wieder einen F-Schlepp in den Wind geschossen.


Segelfliegen ist ja eigentlich ganz schön, denken sich Jonas, Timm und ich. Wir fliegen. Wir fliegen mit der Clubklasse - Wettbewerbsverzerrung? Uns ruft niemand zur Landung, also tun und lassen wir, was wir wollen. Die Clubbis stürzen gegen den Wind herab, haben den Zeitdruck der AAT im Nacken, während wir die starke Wolkenthermik genießen.


Wir gelangen bis an den Rand des fliegbaren Wetters und merken, dass die Aufgabe für die Standardklasse locker zu schaffen gewesen wäre, hätte man sich nur angestrengt. Währenddessen stranden die Clubklasseflugzeuge auf den Äckern und auf anderen Flugplätzen - doch schlussendlich bekommen sie eine Wertung zusammen.

Für morgen ist das Wetter wieder sehr unsicher - wir sind gespannt. Bestimmt werden wir fliegen.


28 Juli 2012

Ab jetzt nur noch zum Spaß dabei

Vor dem Briefing stehen die Flugzeuge am Start. Geputzt, mit Haubentuch versehen, wir schwitzen schon wieder. Nach dem Briefing steht die Aufgabe für die Standardklasse: 400km. Die Erwartung der Wettbewerbsleitung orientiert sich an den vergangenen Tagen: später Start, dann aber gute Schnitte bei 2000 Meter Basis.

Nachdem mich die Wilga bei 35 Grad Celsius rausgequält hat, finde ich mich in unrundem Steigen wieder. Zu Beginn zwei Meter, dann erheblich weniger. Unser IJK-BP-BD-Team findet sich zusammen, nur keinen passablen Bart. Das Pulk hängt ganz oben. Die Abfluglinie öffnet für Aufgabe A um halb drei – gegen einigen Protest aus dem Pilotenfeld. Eine erheblich kleinere B-Aufgabe, die schon seit dem Briefing niedergeschrieben auf violetten Aufgabenzetteln in der Seitentasche des Discus liegt, wird nicht zum Einsatz kommen. 

Wer kann, fliegt ab, als die Linie öffnet. Wir als letzte Starter brauchen noch gut 25 Minuten, um in 1600 Meter Höhe zu kommen. Unser erster Schenkel nach Burg verläuft gut. Wir haben zuerst Bennet CG dabei und durchpflügen die trübe Warmluftsuppe mit den pulsierend-unrunden Bärten, die für eine Strecke von 400 Kilometern viel zu schwach sind. Es dauert gar nicht lange und wir bekommen das erste Mal Sichtkontakt zum Standardklassepulk, das vor uns kreist. 

16 Kilometer vor der Wende Burg sind wir das letzte Mal an der Basis in eins-sechs. Die Wende nehmen wir in eins-drei und schwenken auf Südostkurs nach Torgau. Zwischendurch hatte uns Timms SeeYou eine Ankunftszeit von Viertel vor Acht angezeigt – bei einem vorausgesagten Thermikende um halb Sieben würde das sportlich werden, selbst wenn wir unseren 75er Schnitt vom ersten Schenkel halten. Vor uns und tiefer kreisen sie.  Zuhause kommen wir nicht mehr an, so viel steht jetzt fest, denn die hohen fleddrigen Wolken auf Kurs, die an der Elbe entlang zerfallen, bringen uns kein gutes Steigen. Trotzdem – und das ist rückblickend ein Fehler – lassen wir uns von Zeit und Strecke treiben; verschmähen alles Steigen unter zwei Sekundenmetern. 

Das geht soweit, dass wir um zwanzig nach fünf Uhr Ortszeit über einem Waldgebiet im Westen Torgaus in 500 Metern ankommen. Ein Flugzeug landet grade auf einem Acker im Norden des Waldes. Wir sind schonmal nicht letzter, aber der Flug ist grundsätzlich gelaufen.

Null-Acht bis Null halten uns. Bis Torgau-Flugplatz reicht unsere Höhe grade so aus. Drei Hirne fliegen sicherer als eins und kommen auf einen Nenner: wir kennen den Platz nicht, müssen die Frequenz schnell rasten, in 170 Metern guckt man sich nicht mehr großartig um. Außerdem ist in Roitzschjora eine Quali-Meisterschaft. Der Platz könnte also  schon von anderen Segelflugzeugen so überfüllt sein, wie letztens Burg. Ein  abschließender Versuch sei erlaubt: Die Holzverarbeitung im Süden der Stadt Torgau. Kein Steigen. 

Timm ist der tiefste von uns. Er stürzt sich in ein grünes Feld. An dessen Ende wartet ein Kaufland auf uns, ein Obi, ein McDonalds, ein Chinesischer Imbiss, zwei Friseure, eine Haustierhandlung, ein Dönermann, ein Schuhgeschäft, ein Vodafone- und ein Telekomanbieter, ein Sparkassenautomat. Der Acker war weich. Und er ist groß. Wir drei hätten gut und gerne parallel landen können. Hier. In Torgau. Neben der Müllkippe. Als wir das Feld verlassen, stehen wir auf dem Obiparkplatz. 

Wir schließen mit einem Lachen diesen Tag und den ganzen Wettbewerb ab. Was ist falsch gelaufen? Unser Teamflug war ok. Ein Siebziger auf dem ersten Schenkel ist nachmittags bei dieser schlechten Sicht und dem schwachen Steigen ok. Weniger ok ist, dass wir wieder hinter dem Hauptfeld abgeflogen sind. Rückblickend haben wir aber keine Sekunde gepokert. Es war einfach kein Hochkommen bis zur Öffnung der Abfluglinie. Zumindest für uns. Chancengleichheit? – von wegen! Um nicht all unser Scheitern auf die Wettbewerbsleitung abzuwälzen ist uns anzukreiden, dass wir die schwache Thermikentwicklung über den Tag fehlinterpretiert und erst viel zu spät das Ziel hatten, einfach nur hochzukommen. Tages- und Gesamtwertungsplatz 25 für uns.

Nach der Beendigung unserer Irrfahrt durch die Lüfte geben wir uns einer Odyssee durch die Konsumtempel hin: Jonas findet im Obi leider kein Federstahldrat, den er für seine Mückenputzer braucht. Im Kaufland gibt es zwar Eis, aber kein kaltes Bier. Kurzerhand verstecken wir einen Sechserträger Bier in einer Kühltruhe und bedecken ihn mit Eis. Nach unserem ersten Abendmahl im Restaurant zur Goldenen Möwe werden wir ihn dort gekühlt ausgraben, noch ein Boule-Spiel bei Obi kaufen und uns zumindest noch etwas bewegen, während die anderen Piloten auf dem Weg nach Perleberg entweder außenlanden oder direkt abbrechen und nach Stölln fliegen. Kein Flugzeug kommt am Freitag mit einer Zeitwertung an. 

Eine Strecke unserer Rückhole ist 195 Kilometer lang. Nachts um halb zwei sind wir zuhause und können ausschlafen, denn am Samstag wird mit einem Frontdurchgang gerechnet: Vorerst kein Startaufbau, Briefing um zehn Uhr. Es wird neutralisiert. Nach sechs Tagen fliegerischer Aktivität nehmen wir diese Verschnaufpause gerne an. Ohnehin haben jetzt beide Klassen fünf Wertungstage. Damit ist die Meisterschaft ab jetzt gültig und wir müssen nicht mehr bei jedem falsch eingeschätzten Wetter auf den Acker gehen.

Eigentlich ist ja heute die 15. Bundesligarunde. Jonas fährt an den Platz und möchte sich einen Schlepper organisieren. Doch schon um 13 Uhr ziehen die ersten Schauer durch das Havelland und der Himmel ist zu 8/8 bedeckt. 

Das wird ein entspannter Samstag.

26 Juli 2012

Vierter Wertungstag in Stölln

Lukas, Timm und Jonas stehen heute auf 17, 19 und 20. In der Gesamtwertung arbeiten wir uns nach dem Außenlandetag in Trippelschritten zurück ins passable Mittelfeld. Am Morgen gab die Wettbewerbsleitung uns eine Aufgabe von knapp 380km Länge. Die ersten acht Schlepps wurden geopfert. Ich war einer davon, denn heute stand die Standardklasse vorne. Wir Opfer fielen durch ruhige Luft und kreisten in Nullschiebern, bis wir - relativ zeitgleich - unsere wasserschweren Flugzeuge auf die unebene Grasnarbe setzten. Im Funk wurde die erste gute Nachricht des Tages verbreitet: "Die ersten acht Schlepps gehen aufs Haus."


Es war in der Tat etwas fahrlässig, uns bei leicht abschirmender Bewölkung starten zu lassen, ohne vorher einen Schnupperflieger an den Himmel gesetzt zu haben. Die Aufgabe verlor daraufhin in einem Feldbriefing ihren ersten Wendepunkt, bekam Zylinder anstatt Sektoren um ihre zwei Wenden und wurde von einer Racingtask zu einer Assigned Area Task. Diese AAT mussten wir in zweieinhalb Stunden bewältigen.


Als unser Feld in der Luft war, cumulierte es ganz munter bereits in eins-fünf. Das Team flog ab und war schnell. Schnell auf dem ersten Schenkel nach Wilsche in ein Gebiet, das zu unser fliegerischen Heimat gehört. Schnell war auch unser zweiter Schenkel in die Region von Gorleben. Diesen Sektor kratzten wir nur an - und wir kratzten ihn in einer geringen Flughöhe an. Der Rückenwind schob uns schon heimwärts, als wir in 600 Meter Höhe aufgefächert die breiten Cumuluswolken abgrasen, die mittlerweile in gut 2000 Metern stehen. Wenn der Hammer jetzt kommt, ist uns klar, machen wir den Sack zu und haben 60km vor dem Platz unsere Endanflughöhe.


Aber der Hammer kommt nicht, wir graben in der Warmluft nach besserem Steigen und finden erst langsam wieder Anschluss. Haben wir bis eben nichts unter 2,0 Meter pro Sekunde angenommen, müssen wir uns jetzt zu Beginn der Kreisorgie mit Null-Achtern abquälen.

Letztendlich bekommen wir natürlich unseren Endanflughöhe. Letztendlich geht es thermisch im Gebiet um Stölln und grade im Endanflug so rasant nach oben, wie man es sich an der Elbe nur zu sehnlich gewünscht hatte. Unser Fehler war einfach, dass wir zu risikoreich abgeglitten sind und vergleichbar schwaches Steigen von 1,5 Metern pro Sekunde verschmäht haben.

Abgehakt. Morgen wird nochmal gutes Wetter. Nochmal Hitze. Ich kann es kaum erwarten.

25 Juli 2012

Viel Schweiß für Nichts

Nur eine Randnotiz für den gestrigen Tag: Viele sind weitergekommen als wir. Deshalb findet sich unser IJK-BP-BD-Team im hinteren Mittelfeld der Gesamtwertung wieder. Abgehakt.


Es ist weiterhin blau. Im Nachmittagsverlauf bilden sich Cumuluswolken in bis zu 1800 Metern Höhe. Das reicht, um die Clubklasse, die gestern keine Wertung zusammengeflogen hat, zu starten und auf Strecke zu schicken.


Nachmittagsverlauf ist ein gutes Stichwort: Der Schweiß floss. Das Wasser in Rhinows NP war ausverkauft. Moderne Standardklassesegelfugzeuge fallen wegen zu geringer Flächentiefe fast ins Wasser, wenn es darum geht, Schatten für Piloten und Helfer zu spenden.


Gleich nach dem Start der Clubklasse wird unsere Standardklasse neutralisiert. Wir öffnen die Wasserhähne und kühlen unsere Köpfe.

24 Juli 2012

Zweiter Blauthermiktag

Jonas: ich sag mal, Blauthermik, viel Wind und Cirren – ist nicht so optimal.

Müde aufgewacht, eingespielter Vorbereitungsablauf rüstet zwei Flugzeuge in fünf Minuten auf. Der Meteorloge hat seine Optimismussonnenbrille nicht auf: Blauthermik. Warmluftadvektion. Hochkern zieht weiter nach Weißrussland. Kleines Tief über Süddeutschland gewinnt an Stärke. Wo gestern noch mittleres Steigen von 2,5 Metern zu erwarten war, verbleiben jetzt noch 1,5 Meter pro Sekunde.
Jonas und ich stehen heute in Reihe zwölf, Timm eine dahinter. Wir starten gemeinsam. Die Wilgas schleppen trotz der Temperatur von 28 Grad zuverlässig. Zuerst setzt in der Clubklasse Pulkbildung ein, dann in der Standardklasse. Unsere Aufgabe ist ähnlich der gestrigen. Dreiecksform mit erster Wende Burg bei Magdeburg – ab in den Süden. Die meiste Zeit schwitzen wir in 800 Metern. Die Pulks sind eng, die Steigwerte – wie angekündigt – schlecht. 
 
Ein Großteil des Funkverkehrs im Team besteht darin, Steigwerte zu nennen, die  zwar für sich genommen gut, aber schon Vergangenheit sind, als sie vom Ohr des Anderen gehört werden. 


Ohne Pulk und ohne Höhe stochern wir über den Wäldern durchs Blaue und versuchen, eine passable Abflughöhe zu erfliegen. Als letzter fliegen wir zusammen mit Bennet aus Celle ab und kommen zuerst relativ gut voran. Das heißt: wir finden ein paar Bärte, bis Bennet vorausfliegt, als wir einen Gang zurückschalten und im Thermikschnüffelmodus erst einen halben, dann einen, dann zwei Meter aus 500 Meter Höhe ausgraben. Leider landet Bennet er kurz darauf außen.

Er würde nicht der erste sein, den wir am Boden sehen werden. Als wir die Havel überfliegen, sehen wir mehrere Pulks an der A2. Direkt nördlich der Autobahn liegen schon die nächsten – welcher Klasse die Flugzeuge sind, können wir nicht ausmachen. 


Flugplatz Burg rechts von uns, ein Pulk über uns, geringes Steigen. Jonas ist tiefer und nimmt mit, was er kriegen kann. Timm und ich verlagern nach Westen in Richtung Wende, die südlich der Autobahn liegt. Grandioses Bild: auf dem Flugplatz Burg liegen etwa 20 Flugzeuge aus unserem Wettbewerb. Einige kreisen. Der Pulk ist ortsfest. Überm Knast genau südlich der Autobahn kreist er. Aus Versehen wende ich. Nun, in 400 Metern Höhe, ist es an der Zeit, das Pulk anzusteuern und an seinem Saum meinen Platz zu finden. Timm ist auch da. Jonas ist auch noch da. Wir kreisen uns einen Wolf. Auf dem Acker vor der JVA liegen Zwei, weiter im Süden hat sich auch einer abgelegt. Das Team spielt seine Stärke aus. Dauerfunkkontakt bringt uns wieder zusammen. Timm war schon fast vor einer Außenlandung. In etwa 1000 Metern geht es weiter Richtung zweite Wende. 30 Km/h Wind auf der Nase. Da müssen die Bärte stark sein, da müssen die Bärte regelmäßig kommen.



Was kommt, ist ein Acker bei Drewitz. Das ist gleich bei Dörmitz. In Dörmitz gibt es einen Laden, der kühl ist, vor dem viele Leute sitzen, die tagsüber vergleichsweise wenigen Beschäftigungen nachgehen. Das Radler ist sehr günstig, das Glas Würstchen brauchen wir jetzt auch. Die Stunde Fußmarsch hat sich gelohnt.
Das alles passierte ziemlich schnell: Der Wald hier vor uns wird jetzt gehen, der ist so dunkel – der Wald ging nicht; das ED-R muss jetzt gehen – in der Tat, der Rand des ED-Rs Altengrabow hätte ziehen müssen. Timm ist tief. Er biegt links in Richtung Norden ab. Die Sandkuhle muss ziehen. Aber die Sandkuhle ist auch tot. Jonas meldet zwei Meter vom Schießgebiet, die aber immer wieder weg sind. Wäre man nur 200 Meter höher gewesen, hätte man den Bart sicher zentrieren können. Timm landet auf einem abgeernteten Getreidefeld gleich bei der Sandkuhle. Im Endanflug gibt er mir  noch ein paar Informationen über den gewählten Acker. Der macht einen guten Eindruck: Straße am Ostende, Ortschaft in der Nähe.
Fahrwerk fährt aus, Gegenanflug, Endteil – BravoDeltas Hauptrad fügt sich schmatzend in die Treckerspur. Stroh ist zu kleinen Reihen zusammengefurcht. Es gleitet am Rumpf entlang. IJK und Timm sausen an meiner linken Seite vorbei. Eine Spannweite vor der Bundesstraße lege ich die Fläche ab, schnalle mich los. Als ich aussteige, ist Jonas auch schon da. Er steht weit hinter mir. Wir drei gehen nahtlos in unser tägliches Debriefing über und befinden über unseren Flug: 

100 Km Strecke nicht geschafft. 4 Stunden in der Luft gewesen. Außengelandet. Aber mindestens 30 Flugzeuge hinter uns gelassen.

Morgen erwarten wir gegen Nachmittag von Südost Cumuli mit hoher Basis. Zuvor wird es aber blau bleiben. Aber mit weniger Wind.



Mittlerweile steht fest: Kein einziger Pilot ist ohne Motorkraft zurück zum Flugplatz gekommen. Wir haben keine 90 Kilometer zusammengeflogen. Andere schnitten beim Ackerweitwurf besser ab. Weil keine Geschwindigkeitswertung zustande kommt, sind die Punkteabstände aber äußerst gering und wir verlieren nicht signifikant auf unsere Konkurrenz, was in der Wertung nachzulesen ist.


23 Juli 2012

Erster Blauthermiktag

Heute war in Stölln bei den Deutschen Meisterschaften der Junioren im Segelflug der erste Wertungstag. Unser Meteorologe hatte mit seiner Vorhersage in weiten Teilen recht: Der Sommerhimmel behielt seine warmluftblaue Farbe, nur gestört durch die ein- oder andere hohe Wolke. Das Resultat waren mehrere Kunststoffwolken am Himmel, die ihre flachen Kreise im Warmluftgeblubber zogen. Wie an jedem Tag steht auch heute die Standardklasse hinten. Timm - IJK - in Reihe zehn. Jonas - BP - und Lukas - BD - in Reihe 14 von 14. Nachdem die Startbereitschaft um 11 Uhr und 30 Minuten hergestellt war, blieb uns genug Zeit für die mittlerweile ungewohnte Pflege der Haut durch Sonnencreme, allerlei Beratschlagungen und entspannte Plauderei.



In der Luft war es heute trotz Blauthermik nicht schwer, Thermik zu finden. Die weißen, rotierenden, sich langsam aufwärts bewegenden Pulks zeigen sicher an, wo man garantiert hochkommt. Team IJK-BP-BD entscheidet sich nach seiner ersten unbefriedigenden Pulkerfahrung dazu, ebendiese nicht wiederholen zu wollen und sucht seit dem Zeitpunkt seine eigenen Bärte. Dabei quatscht es - gefühlt - beinahe Akkus leer, gleitet über vergleichsweise große Strecken, führt zweimal die Schlüter-Gegenwindwende richtig aus und landet - etwas verstreut auf Platz 6, Platz 11 und Platz 12. Durch eine bessere Höhe im Endanflug kam Jonas lediglich zwei Minuten vor Timm und mir am Platz an - wir sind über die Leistungsdichte erstaunt. Es ging um Sekunden. Wir sind mit unserem ersten Tag auf der DMJ zufrieden. Für die Wertung verweise ich Euch auf scoring*StrePla.



Morgen wird es wieder blau werden. Wir sind auf Tag zwei gespannt!

22 Juli 2012

Pflichttraining

Musikalische Beköstigung eines jeden Morgens durch die Flugplatzkapelle.
 
Um neun Uhr früh stehen schon reichlich CUs am Stölln-Himmel. CUs statt AC - das freut uns. Für manche Piloten mag es ein Tag der ersten Rennaufgabe sein; für andere ein Tag der letzten Generalprobe vor den Wertungstagen, die morgen ihren Anfang nehmen werden; für andere ein Tag der Ligaflüge fernab vom heimischen Startplatz.



In der Alten Halle auf dem Fluplatz in Stölln/Rhinow läuft hintergründig Rockmusik. Der große Briefingraum ist dunkel, mehrere Fallschirme hängen in den Ecken. Bierzeltgarnituren füllen sich minütlich mit mehr Piloten und Helfern. Bevor das Eröffnungsbriefing beginnt, spielt die Flugplatzkapelle - bestehend aus drei Vereinsmitgliedern. Der Text ihres Fliegerliedes ist originell, wortspielerisch wertvoll und die Aussage einfach absolut passend in diese Zeit: Wir wollen einfach nur Spaß am Segelfliegen.



Meteorologe Steffen stellt sich vor und präsentiert uns die Wettervorhersagen für heute und die nächsten Tage. Am heutigen Tag erwarten wir, dass der Höhentrog nach Osten abziehen wird. Dazu setzt Stabilisierung ein, Ausbreitungstendenz lässt nach. Unsere neue Luftmasse nimmt einen Weg über die Nordsee und ist vergleichsweise kalt. Noch ist jedoch eine gewisse Labilität in der Luft, wir  müssen weiterhin mit Störungen rechnen.



Das Hochdruckgebiet befindet sich auf dem Weg von den Niederlanden nach Polen. Ein Luftmassenwechsel steht an. Die Südwestströmung wird uns Blauthermik bescheren - voraussichtlich jeden Tag schwächer. Hinzu kommen bald Temperaturen von 30° Celsius. Da dürfen wir froh sein, dass uns Wilgas mit ausreichender Leistung schleppen. O-Ton des Meteorologen für den Glaskugelzeitraum: ab Mittwoch wieder Cumulus, wir werden bis Samstag jeden Tag fliegen können.



Um 12 Uhr ist Startbereitschaft. Das Grid füllt sich. Unsere Wendepunktdatei macht Probleme. Beim besten Willen stimmen die Wendepunktnamen im LX nicht mit denen auf dem Aufgabenzettel überein. - Eine Sache für den Abend. Erstmal wird das IJK-BP-BD-Team fliegen. Bennet aus Celle leistet uns heute Gesellschaft.



13 Uhr und 55 Minuten: die Startlinie ist geöffnet. Wir fliegen ab. Bis alle vier auf einer Höhe sind, vergeht ein großer Zeitraum. Bennet trennt sich von uns - aus Zeitgründen einfach die beste Entscheidung. Unsere Flüge führen ohne Aufgabe kurbelarm unter vielen Wolken hindurch. Sie sind deckungsgleich, daher verlinke ich nur einen der drei Flüge: Lukas' Flug.



Alle Systemchecks sind erfolgreich abgeschlossen, auch wenn Jonas' Mückenputzer nicht ganz zuverlässig arbeiten und Timms Flächenrad das Rad seit dem heutigen Tag vermisst. Das Team vesteht sich untereinander, mittlerweile ist ein Großteil unserer Mannschaften eingetroffen. Die Wasserkanister stehen gefüllt neben den unseren Anhängern. Der erste Wertungstag darf anbrechen.


21 Juli 2012

Freies Training

Zwei Standardklassepiloten warten auf die Inbetriebnahme der Wasserstelle.
 
Heute morgen bedeckte Altocumulusbewölkung das Havelland rund um den Flugplatz Stölln. Die mittelhohen Wolkenfelder blieben über den Mittag hinaus bestehen. Das Resultat: wir hatten an unserem freien Trainingstag genug Zeit, um die Flugzeuge zu putzen, die Systeme zu checken und - und dann einen Start zu machen.

Bunte Farben schmücken die Briefinghalle.

Wilga ist ungleich eines SF 25C. Stinkiger, ruppiger, stärker, lauter - für den Piloten arbeitsreicher und vor allem teurer. Timm verzichtete auf diesen Trainingstag, denn seine Mannschaft wird erst morgen eintreffen. Jonas kam nach dem Start gut raus und ging nach Westen auf Strecke, während ich mich schwertat und bis zum Abflug unter der westwärts gerichteten Aufreihung viel Zeit in schwachen, schnell versetzenden Bärten verbrachte. Die weitere Flugdokumentation übernimmt der OLC: Jonas' Flug; Lukas' Flug.


Emsige Betriebsamkeit in der Standardklasse.

Wir haben damit den Grundstein für die 14. Bundesligarunde gelegt. In Ehlershausen war das Wetter schlechter. Von dort aus fand kein Ligaflug statt. Morgen ist hier in Stölln Pflichttrainingstag. Ligaflüge sind dennoch möglich. Voraussichtlich plant unser  IJK-BP-BD-Team eine ligafreundliche AAT.

Ein F-Schlepp.

20 Juli 2012

DMJ 2012 - Anreise

Abfahrt in Segeste.

Ankunft in Stölln: sehr fliegbares Wetter.
Kabelbruch am BD-Akku - Hat Jonas denn nie Feierabend?

Concerted

Wer durch Zufall über sie stolpert, findet ein Foto von fünf jungen Männern im Jackett. Als Hintergrund des Internetauftritts dient Omas Tapete, während ein Grammophon das Grundmotiv fürs Band-Logo bildet. Außerdem stößt der geneigte Musikforscher auf ein Video, in dem Jonas, Clemens, Simon, David und Tobias die Freundschaft besingen: eher poppig, eher mit schon ziemlich guter Laune, eher auf Englisch, das Deutsche Ohren mühelos verstehen, eher eine Band aus dem Norden – unmissverständlich, das wird klar, wenn die Insel Rügen und das Getränk Jever im Clip auftauchen. 

Sie nennen sich Concerted und kommen aus Lübeck. Streifzüge durch Youtube und Soundcloud bringen in Zeiten der Reizüberflutung nur unbefriedigende Suchergebnisse. Auch unser letzter Strohhalm, Amazon, findet nichts. Bei einer intensiveren Lektüre der Internetpräsenz fällt auf: Concerted sind reichlich exklusiv für ihr Alter. Das muss man den Anfang-Zwanzigern von vornherein zugute schreiben. Damit ihr Début-Album FLOW WITH THE SOUL den Weg zum heimischen Briefkasten findet, muss schon persönlicher Mailkontakt zu einem der Bandmitglieder herrschen.

Fündige seien trotz dieser Holprigkeiten in der Datenträgerbeschaffung und ob des persönlichen Kontakts zur Band enttäuscht, denn heute ist man nicht mehr der erste Concerted-Hörer. Das jedenfalls belegt die übersichtliche Sammlung von Pressestimmen auf der Homepage. Da ist von Kaufbefehlen und süßem Optimismus die Rede, von feinem Pop und Jazz mit Funk. Jeweils prisenweise. 

Nein, es nützt nichts, wir müssen die CD schon einlegen, die Musik schon hören, die schriftsprachliche Genre-Einordnung jetzt zurückstellen und das Ohr hören lassen. Und nach ein, zwei, drei Musikstücken, wenn die vergleichsweise seichte Einleitung mit Friends schon lange abgeklungen ist, fällt den Zwanzigjährigen Zuhörern zwischen besonders angenehmen Saxophon- und Klavierklängen, die gerne auch durch Arrangements mit einer akustischen Gitarre abgelöst werden, auf, dass die absolute Zeitgenossenschaft zu den Musikern etwas ganz besonderes überzeugt: Identifikation.

19 Juli 2012

Aufbruchstimmung - Deutsche Meisterschaft der Junioren im Segelflug

Monate, Wochen und Tage des Wartens haben ein Ende - Die DMJ 2012 in Stölln steht an. Dort, wo für Lilienthal die ersten Segelflüge ein bahnbrechendes Abenteuer gewesen sind, suchen wir in den kommenden zwei Wochen aufs Neue nach diesem Schatz, den wir ja allesamt besitzen, über den keiner wirklich spricht, den jeder für sich selbst genießt. Wir werden diesen Schatz in mathematische Tabellen einsortieren und - hoffentlich - auch in seinem Urzustand würdigen.

Ich freue mich auf eine tägliche Berichterstattung aus Stölln und beginne mit diesen beiden Bildnachweisen: Sie markieren den Beginn des Zyklus "Abfahrt".



18 Juli 2012

Denkwörtigkeit

O-Ton des Tages: Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben am Existenzminimum.

16 Juli 2012

Hangflugspaß für Ligapiloten. Heute: Dreckswetter am Ith.

Eine Senke, von zwei Hängen, einer im Norden, einer im Süden, eingefasst. Nach Osten Hang abwärts ins Tal, nach Westen ein Waldrand. Windstille. Und Wind. Wir können ihn nur am raschen Zug der Wolken sehen. Links von uns rauscht der Wald. Das ist Flugplatz Ithwiesen. Der Gummistiefelanordnung des Trainers hat niemand Folge geleistet. Meine Lederschuhe halten erstaunlicherweise trotz nassem Schuhrücken dicht, die Wollsocken warm, die Kapuze den Regen ab. Die ansässigen Segelflieger haben für uns den Flugbetrieb aufgebaut. Jetzt müssen wir auch fliegen. Insgesamt drei Versuche. Mit drei Flugzeugen. Und warum eigentlich?

Für die Bundesliga. Die Mindestpunktzahl muss erflogen werden, um eine Wertung zustande zu bringen. Es ist Runde 13. 14. Juli 2012. Wir, der LSV Burgdorf, liegen auf dem ersten Platz der Segelflugbundesliga und haben auf den Zweitplatzierten ein weiches Punktepolster, auf dem wir uns aber nicht ausruhen dürfen. Also sind wir – wer sind wir? Wir sind Mimö und Pussy, Frerk und Regina, Sven und Andi, Lutz und ich. Wir sind also auf den Ith gefahren. Die Schauerneigung dieses Okklusionsfrottages bekommen wir seid halb zwei zu spüren. Wir stehen auf dem südlichen Hügel, noch vor der Senke am Platzrand. Der Wind nimmt im Schauer deutlich zu und macht auch vor dem Lee des Waldes keinen Halt; Regen schrägnet, da hilft es nicht, sich unter die Fläche zu stellen.  Überhaupt. Die Flugzeuge. Ein ungleiches Trio. Für den Index: Mimö auf Astir CS. Für den Index: 
Ka 6 BR. Für den Spaß: Frerk im Arcus.
 
Es geht also irgendwann los. 17 Uhr local. Der Regen hat eben aufgehört: Chance nutzen! Schauerpause ausfliegen. Zweimal hin, zweimal her. Fertig. So der Plan. Versuch eins wurde abgebrochen, als ich noch am Boden stand. Versuch zwei wurde beendet, als der nächste Schauer fast den Ith erreicht hatte. Aber jetzt: Seil straff, fertig. Ka6 am Restseil frei. Frei im Lee, Fahrt ist das halbe Leben. Den Knüppel mit Bedacht kommen lassen. Drahtseilakt für den Windenfahrer: Schösse er mich heraus, hätte ich im prallen Gegenwind 170 auf dem Stau, sobald ich das Lee verlasse. Dann lieber mit 80 in den Steigflug übergehen. Ich komme in den Gegenwind und werde zum Drachen: binnen eines Moments klebt der Fahrtmesser im Unerlaubten. Es ist schlagartig lauter geworden. Im Funk den Wunsch nach Reduzierung der Schleppgeschwindigkeit zu äußern bringt keine signifikante Fahrtänderung.

Nach dem Ausklinken stelle ich die Ka 6 mit dem Wettbewerbskennzeichen Zorro an den Hang. Er trägt gut. Das wird aber erst bedeutungsvoll, als ich den fetzigen Cumuli in meiner Höhe ausweiche. In dieser Höhe, 790 Meter MSL bei 360 Meter Flugplatzhöhe, gliche das alles einem Spießrutenflug. Generell entscheide ich mich auf dem Weg an den flacheren Hang im Süden des Flugplatzes, der in der Verlängerung des Ith liegt und Hills genannt wird, die Wolken luvseitig zu umfliegen, da sie sehr schnell ins Lee des Hanges getragen werden. Mit Rückenwind zurück zum Ith ist schnell gemacht. Aus dem Hang-Lee wieder herauszukommen wäre deutlich unangenehmer. Michael ist mit dem Astir gestartet. Über dem Hills drehen wir um in Richtung Norden und beginnen den Ligaflug. In 900m MSL und über den Cumuli. Der flache Hang trug ungewöhnlich gut, ungewöhnlich stetig, ungewöhnlich laminar. Die Aufregung des Starts sitzt mir noch in den Knochen. Ansonsten hätte ich sofort gemerkt: Welle!

Durch ein Wolkenloch stößt die Ka6 hinab und begibt sich mit mir an den Hang. Knapp unter den Wolken fliege ich thermikunterstützt in der Nähe von 150Km/h vor. Manchmal auch langsamer. Es ist böig. Verglichen mit all den Unwägbarkeiten des Tages ist dieser Akt nun der entspannteste von allen: ich fliege halt. Im Westen drücken sich Wolkenwürste über die Berge, Sonne scheint hier und dort in die Landschaft. Cumulonimben stehen weiter im Westen. Östlich glänzt angenehmes Herbstwetter mit guter Sicht bis zum Harz. Unsere Theorie: genau hier, am Ith, regnen sich die CBs ab und ziehen als vielleicht nicht unscheinbare, aber doch ungefährlichere Wolken mit dem Wind gen Osten.

18 Uhr und vier Minuten local: Michael kreist am Steinbruch. Kurz dahinter steht ein CB, der schauert. Frerk und Lutz ziehen im Arcus an mir vorbei. Ich folge ihnen in den Schauer hinein. Schnell ist meine Schmerzgrenze erreicht. Wir drehen um und machen den letzten Schenkel voll. Auf dem Weg: Bedenken. Ligaregeln sagen: Abflughöhe gleich Ankunftshöhe. Im Klartext: wenn ich die Strecke im Süden beende und zum Flugplatz zurückfliege, muss ich mindestens auf 900 Meter MSL kommen. Hinderliche Faktoren dabei könnten sein: Regen am Platz, kann ausgeschlossen werden, denn die Sicht ist frei; größere Wolken möglich; ebenso Wolkendecke, die den Bereich um Ithwiesen zumacht. Als ich Hellenhagen passiere, nehme ich Fahrt raus und die Zorro knapp unter die Basis; erhöhe den Vorhaltewinkel. Flughöhe 690m MSL. Laminares Steigen setzt ein.

18 Uhr und 16 Minuten local: passiere Ithwiesen in 930 Meter, laminares Steigen von 1,5 integriert. Wolkenlöcher erleichtern mir den Aufstieg über die Tops der niedrigen Cu. Mächtiger CB unmittelbar im Westen. Uns bleibt nicht die Zeit für eine Wellenorgie.

18  Uhr und 21 Minuten local: Astir und Arcus sind mit mir aufgestiegen. Flughöhe 1020 Meter. Position: Km 8 auf Ithwiesen. Ich habe den aufsteigenden Ast der Welle verlassen und drehe um, beende damit den Ligaflug, denn vier Schenkel sind nun geflogen. Der Blick in Richtung Flugplatz ist durchaus unangenehm: Eine Cumulidecke ist entstanden. Auf dem Rückweg muss ich einerseits Wolkentops ausweichen, darf aber nicht zu früh unter die Wolken sinken, muss auf Gegenverkehr achten und dem LX 7000 der Zorro gehorchen, denn Navigation per Sicht ist schwer möglich. Hills und Ith nicht in Sicht. Michael, Frerk und Lutz kommen mir entgegen. Der Hang ist ansonsten leer. Verständlich. Sie wenden bald darauf, fliegen mir nach, überholen mich und werden bald landen.  

18 Uhr und 30 Minuten local: Unterhalb der Basis ist die segelfliegerische Welt wieder im Lot. Landerichtung 18 ist aktiv: Der Arcus zischt so eben mit Rückenwind über die Winde in Richtung Norden hinweg. Dann liegt er auf der Seite. Mögen es 150Km/h sein, die er fliegt, als er in den Gegenwind eindreht. Unverzüglich fahren die Klappen rot aus der Flügeloberseite. Seine 20 Meter Spannweite wippen in der Leeturbolenz. ARC wirft sich hangaufwärts. Nun bin ich an der Reihe und darf weniger als die Hälfte der Arcusmasse durchs Lee prügeln. Über der Winde liegen an: 150 am Stau. Der Rest muss rein optisch passen. Leicht gesetzte Klappen nach der Landekurve und die Nase gesenkt; Gleitpfad zielt auf die Bahnmitte. Eintritt ins Lee mit Fahrtverlust – Klappen weniger setzen. Ab nun beginnt die Arbeit am Steuerknüppel und erfordert nervöses Gegensteuern zu allerlei Böen, die mit dem Flugzeug spielen wollen. Kurz vorm Aufsetzen wird die Luft wieder ruhig und ich gleite eine Sekunde durch die stille Luft, leeseitig vom Wald, der rauscht, der vom Regenwetter nass ist und in Sommergrün daliegt, mit 8/8 samt Schauerneigung vor zu viel Sommersonne verwahrt. Zu diesem Wetter, stellen wir fest, als wir im nächsten Regen abrüsten, würden eigentlich Bäume mit buntem Laub viel besser passen.

In der Klippenklause stoßen wir auf den Tag an, der erst nicht recht Erfolg versprechen wollte und uns dann aufs Eindrücklichste gezeigt hat, bei welchem Wetter man noch sinnvoll segelfliegen kann, ohne Risiken eingehen zu müssen. Am Abend stehen zwei Flüge in der Wertung.

Zurückhaltende Ansichten übers Wetter für den Folgetag gewinnen die Oberhand. Man wird morgen also versuchen, einen dritten Flug in die Wertung zu bekommen und von Edorf aus starten. Doch wie zum Dank für diesen beinahe unverhältnismäßigen Durchhaltewillen am Samstag schenkt uns das Wetter am Sonntag Schnitte um die 100 Km/h bei guter Cumulusthermik und schauerfreier Luft. Das bedeutet: Rundensieg; der LSV Burgdorf baut seine Führung in der Gesamtwertung weiter aus.

Ein kleiner Ka6 Flug für die Moral, drei besonders Schnelle Flüge für den Titel.