28 Juli 2012

Ab jetzt nur noch zum Spaß dabei

Vor dem Briefing stehen die Flugzeuge am Start. Geputzt, mit Haubentuch versehen, wir schwitzen schon wieder. Nach dem Briefing steht die Aufgabe für die Standardklasse: 400km. Die Erwartung der Wettbewerbsleitung orientiert sich an den vergangenen Tagen: später Start, dann aber gute Schnitte bei 2000 Meter Basis.

Nachdem mich die Wilga bei 35 Grad Celsius rausgequält hat, finde ich mich in unrundem Steigen wieder. Zu Beginn zwei Meter, dann erheblich weniger. Unser IJK-BP-BD-Team findet sich zusammen, nur keinen passablen Bart. Das Pulk hängt ganz oben. Die Abfluglinie öffnet für Aufgabe A um halb drei – gegen einigen Protest aus dem Pilotenfeld. Eine erheblich kleinere B-Aufgabe, die schon seit dem Briefing niedergeschrieben auf violetten Aufgabenzetteln in der Seitentasche des Discus liegt, wird nicht zum Einsatz kommen. 

Wer kann, fliegt ab, als die Linie öffnet. Wir als letzte Starter brauchen noch gut 25 Minuten, um in 1600 Meter Höhe zu kommen. Unser erster Schenkel nach Burg verläuft gut. Wir haben zuerst Bennet CG dabei und durchpflügen die trübe Warmluftsuppe mit den pulsierend-unrunden Bärten, die für eine Strecke von 400 Kilometern viel zu schwach sind. Es dauert gar nicht lange und wir bekommen das erste Mal Sichtkontakt zum Standardklassepulk, das vor uns kreist. 

16 Kilometer vor der Wende Burg sind wir das letzte Mal an der Basis in eins-sechs. Die Wende nehmen wir in eins-drei und schwenken auf Südostkurs nach Torgau. Zwischendurch hatte uns Timms SeeYou eine Ankunftszeit von Viertel vor Acht angezeigt – bei einem vorausgesagten Thermikende um halb Sieben würde das sportlich werden, selbst wenn wir unseren 75er Schnitt vom ersten Schenkel halten. Vor uns und tiefer kreisen sie.  Zuhause kommen wir nicht mehr an, so viel steht jetzt fest, denn die hohen fleddrigen Wolken auf Kurs, die an der Elbe entlang zerfallen, bringen uns kein gutes Steigen. Trotzdem – und das ist rückblickend ein Fehler – lassen wir uns von Zeit und Strecke treiben; verschmähen alles Steigen unter zwei Sekundenmetern. 

Das geht soweit, dass wir um zwanzig nach fünf Uhr Ortszeit über einem Waldgebiet im Westen Torgaus in 500 Metern ankommen. Ein Flugzeug landet grade auf einem Acker im Norden des Waldes. Wir sind schonmal nicht letzter, aber der Flug ist grundsätzlich gelaufen.

Null-Acht bis Null halten uns. Bis Torgau-Flugplatz reicht unsere Höhe grade so aus. Drei Hirne fliegen sicherer als eins und kommen auf einen Nenner: wir kennen den Platz nicht, müssen die Frequenz schnell rasten, in 170 Metern guckt man sich nicht mehr großartig um. Außerdem ist in Roitzschjora eine Quali-Meisterschaft. Der Platz könnte also  schon von anderen Segelflugzeugen so überfüllt sein, wie letztens Burg. Ein  abschließender Versuch sei erlaubt: Die Holzverarbeitung im Süden der Stadt Torgau. Kein Steigen. 

Timm ist der tiefste von uns. Er stürzt sich in ein grünes Feld. An dessen Ende wartet ein Kaufland auf uns, ein Obi, ein McDonalds, ein Chinesischer Imbiss, zwei Friseure, eine Haustierhandlung, ein Dönermann, ein Schuhgeschäft, ein Vodafone- und ein Telekomanbieter, ein Sparkassenautomat. Der Acker war weich. Und er ist groß. Wir drei hätten gut und gerne parallel landen können. Hier. In Torgau. Neben der Müllkippe. Als wir das Feld verlassen, stehen wir auf dem Obiparkplatz. 

Wir schließen mit einem Lachen diesen Tag und den ganzen Wettbewerb ab. Was ist falsch gelaufen? Unser Teamflug war ok. Ein Siebziger auf dem ersten Schenkel ist nachmittags bei dieser schlechten Sicht und dem schwachen Steigen ok. Weniger ok ist, dass wir wieder hinter dem Hauptfeld abgeflogen sind. Rückblickend haben wir aber keine Sekunde gepokert. Es war einfach kein Hochkommen bis zur Öffnung der Abfluglinie. Zumindest für uns. Chancengleichheit? – von wegen! Um nicht all unser Scheitern auf die Wettbewerbsleitung abzuwälzen ist uns anzukreiden, dass wir die schwache Thermikentwicklung über den Tag fehlinterpretiert und erst viel zu spät das Ziel hatten, einfach nur hochzukommen. Tages- und Gesamtwertungsplatz 25 für uns.

Nach der Beendigung unserer Irrfahrt durch die Lüfte geben wir uns einer Odyssee durch die Konsumtempel hin: Jonas findet im Obi leider kein Federstahldrat, den er für seine Mückenputzer braucht. Im Kaufland gibt es zwar Eis, aber kein kaltes Bier. Kurzerhand verstecken wir einen Sechserträger Bier in einer Kühltruhe und bedecken ihn mit Eis. Nach unserem ersten Abendmahl im Restaurant zur Goldenen Möwe werden wir ihn dort gekühlt ausgraben, noch ein Boule-Spiel bei Obi kaufen und uns zumindest noch etwas bewegen, während die anderen Piloten auf dem Weg nach Perleberg entweder außenlanden oder direkt abbrechen und nach Stölln fliegen. Kein Flugzeug kommt am Freitag mit einer Zeitwertung an. 

Eine Strecke unserer Rückhole ist 195 Kilometer lang. Nachts um halb zwei sind wir zuhause und können ausschlafen, denn am Samstag wird mit einem Frontdurchgang gerechnet: Vorerst kein Startaufbau, Briefing um zehn Uhr. Es wird neutralisiert. Nach sechs Tagen fliegerischer Aktivität nehmen wir diese Verschnaufpause gerne an. Ohnehin haben jetzt beide Klassen fünf Wertungstage. Damit ist die Meisterschaft ab jetzt gültig und wir müssen nicht mehr bei jedem falsch eingeschätzten Wetter auf den Acker gehen.

Eigentlich ist ja heute die 15. Bundesligarunde. Jonas fährt an den Platz und möchte sich einen Schlepper organisieren. Doch schon um 13 Uhr ziehen die ersten Schauer durch das Havelland und der Himmel ist zu 8/8 bedeckt. 

Das wird ein entspannter Samstag.