23 Februar 2013

Weltblick

                       Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,

                       die Braue, Pupillen die Lider –

                       Was war das? vielleicht dein Lebensglück…

                       Vorbei, verweht, nie wieder.

                       Kurt Tucholski



Tucholski am Arsch, denkt er, wenn’s denn mal so wäre! Er geht eine Fußgängerstraße entlang, Geschäfte rechts und links. Menschen gehen in die Gegenrichtung. Sein Kopf sitzt senkrecht  auf dem Hals, die Augen blicken geradeaus. Ungezählte Augenpaare voraus – wie bei Tucholski, glaubt er, dann schaut er genau: Keine Augen. Kein kurzer Blick. Höchstens eine Braue. Vorbeigeweht. Nein, nie wieder.

Die Gestalten: jung oder älter, Mädchen, Junge, versammeln ihre Arme vor dem Körper; sie tragen ein Mobilgerät in den Händen und ihren Kopf auf der Brust. Augen auf den Bildschirm gerichtet, den sie streicheln. Das ist langweilig. Geradezu so als würden sie durch einen Schneesturm stapfen, der ihnen die Flocken in die Augen reibt, und keinen ruhigen Blick leben können.

Wie unerotisch, denkt, und dabei setzt er einen Schritt nach dem  anderen. Augen aufgerichtet. Mit dem Blick, der langsam auf sich zukommen lässt, nicht abbricht, nicht flüchtet. Wovor auch. Einem Haaransatz, der Braue.

Einem Auge? – Vielleicht. Mit Glück. Irgendwann mal wieder. Er hofft.

11 Februar 2013