20 Januar 2015

Drei Lynchversteher im Lichtspielhaus

Der Komödie einziger Teil

 


Erster Aufzug

Schlecht besuchte Kinovorstellung. Saal mit roten Sitzen. Auf der Leinwand: Lost Highway von David Lynch. Im Publikum, mittig, Höhe erstes Drittel, sitzen Faust und Mephistopheles. 

FAUST.
Krieg ich Popcorn?

MEPHISTOPHELES.
Die Frage scheint mir klein,
Aber gern so soll's sein. Reicht ihm die Tüte Popcorn.

FAUST.
Keine Reime, bitte. Goethe's nich da.

MEPHISTOPHELES.
(erleichtert) Der Herr sei gepriesen.

....

MEPHISTOPHELES.
(ohne Verständnis) Aha. Dick Laurent ist tot. Na wenn er meint.

FAUST.
Hey, das sind ja Sie!

MEPHISTOPHELES.
Ich? Wer?

FAUST.
Der da. Der mit dem weißen Kopf und dem tragbaren Fernseher.

MEPHISTOPHELES.
Warum soll ich das sein?

FAUST.
Ihr Ernst?
Sehen Sie nicht die Gustav Gründgens Reinkarnation? Nur ohne die ganze Schminke. Wirklich traurig, dass die deutsche Synchronisation das R nicht so rollt. Echt schade. Mir hat die Inszenierung wirklich gefallen. Vor allem die Party auf dem Brocken: echt episch.

MEPHISTOPHELES.
Soll das wirklich ich sein? Guck mich doch mal an, Alter! Gut durchblutet von Kopf bis Fuß. Gründgens hat mich nie richtig verstanden.


Zweiter Aufzug

MEPHISTOPHELES.
Ja ich hab's kapiert. Das bin ich. Ich mache teuflische Dinge: Wohnräume des Nachts filmen. Mich aufspalten und mit jemandem telefonieren, der genau vor mir steht, während meine andere Hälfte bei ihm zuhause ist. Großartig.
Aber wer sind dann Sie?

FAUST.
Wieso? Reicht es nicht, dass Sie auftreten?

MEPHISTOPHELES.
Sie sind der andere Blasse. Der Musiker, der's nicht so mit dem Blümchen hat. Und mit Gekos' und Geschleck schon zweimal nicht.

FAUST.
Erinnern Sie mich nicht daran.

Auf der Leinwand: Fred geht durch das kaum beleuchtete Haus. Das Telefon klingelt zweimal. Fred ist verschwunden. Renée ruft nach ihm. Am nächsten Morgen sieht sich Fred die nächste Videoaufnahme von dem Inneren ihres Hauses an. Darauf ist Fred im Schlafzimmer zu sehen: Berauscht von Blut kniet er inmitten Renées Überresten. Er hat sie Pat-Batemanmäßig zerstückelt. - Schnitt: Fred wird zum Tode auf dem elektrischen Stuhl verurteilt.

MEPHISTOPHELES.
(Lacht) Sagen Sie: Wer ist jetzt der Teufel. Sie oder ich?

FAUST.
Ich. Das ist...
Ja, ich.

MEPHISTOPHELES.
Moment. Verurteilt, in einer Zelle. Da kann nur Gott helfen. Sie erinnern sich. Sein Auftritt muss nahe sein. "Ist gerettet", wie Gretchen. Das weiß man doch. Happy End und so.

FAUST.
Gott hat die Rolle nicht gekriegt.
Aber sehen Sie, ich verwandle mich in einen jungen Automechaniker.

MEPHISTOPHELES.
Glückwunsch. Aber: halt mal. Nur ich darf mich verwandeln. Sie sind bloß ein Mensch.

FAUST.
Und was für einer! Ich "sehe mehr Muschis als ne Klobrille", sagt der Polizist. Sind Sie neidisch?


Dritter Aufzug.
Margarete tritt auf und setzt sich auf den freien Platz neben Faust.

MARGARETE. (unsicher)
Verzeiht liebe Freunde... Ihr
Das späte Erscheinen.... mir.

MEPHISTOPHELES.
Grüß Dich, Gretchen. Goethe ist nicht da.

MARGARETE.
(erleichtert) Der Herr sei gepriesen.
Leute, was gucken wir hier?

MEPHISTOPHELES.
Dein Leben ohne Nacheinlass. Das wäre schlimm. Aber die jungen Dinger müssen ja den Haushalt besorgen.

FAUST.
Von wegen Haushalt. Ich tippe auf Kosen und Schlecken.
MEPHISTO.
Ach ihr führt jetzt eine offene Beziehung? Für mich wäre das ja nichts.

MARGARETE.
Der Doktor ist nicht mehr der Jüngste. Sie verstehen sicher, Phisty.

MEPHISTOPHELES.
Ich hätte dir das ja auch empfohlen. Das mit dem Trank haben wir ja hinter uns. Such dir lieber einen Mann in Deinem Alter.

FAUST.
Suchen? Sie erhält Besuch ohne Unterlass! (Alle schweigen)
Was wir gucken? Er (nickt in Richtung Mephistopheles) ist einfach nur gruselig und sieht aus wie Gründgens. Ich hab mich in den jungen Potenzkerl verwandelt, aber vorher hab ich Dich umgebracht.

MARGARETE.
Und jetzt kommst Du aus dem Bett gar nicht mehr raus.

FAUST.
Sieht ganz danach aus.


Vierter Aufzug.

MEPHISTOPHELES.
Jetzt wird's strange: Sie (zu Faust) sind Pete. Gretchen war Renée. Und Pete ist eigentlich auch Fred. Pete ist mit Alice zusammen, und Alice sieht genau so aus wie Renée.

FAUST.
Schlagen Sie das mal Goethe vor. Wenn ihm noch Abwechslung im Personal fehlt, soll er einfach die Protagonisten austauschen und umbenennen.

MARGARETE.
Tjaja, so weit war der alte Herr seinerzeit einfach noch nicht.

Auf der Leinwand: In der Wüste verwandelt sich Alice in den Mystery Man. Die Verfolgungsjagd findet statt. Danach endet der Film.

MARGARETE.
Ich ralls nicht.

FAUST.
Das überrascht mich nicht.

MEPHISTOPHELES.
Ich bin der Mystery Man, ich war Renée, ich war Alice. Das ist zugegebenermaßen abwechslungsreicher als die Geschichte mit dem Hund. Das heißt, ich habe mich Ihnen oft willig hingegeben. Lieber Doktor, so sehr ich Sie als Mensch schätze und bewundere, wie sie mit ihrem armen Leben hier auf Erden vorlieb nehmen, aber mir Derartiges auf den Leib zu schreiben... - unfassbar!

MARGARETE.
Dann waren Sie also ich? Und schon die ganze Zeit? Und warum überhaupt? Es gibt doch keinen Grund dafür. Ich habe Gott vermisst, der hat mich immerhin gerettet, als ich wegen Dir (sieht Faust an) im Knast saß.

FAUST.
Ihr habt Recht. Es gab nichtmal ne Wette um meine Gottergebenheit.

MEPHISTOPHELES.
(schnippisch) Der spielt ja auch nicht mit. Und der Grund ist schnell erzählt:
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element."

MARGARETE.
Streber. Davon kommst Du einfach nicht mehr los, oder?

FAUST.
Ich glaub er steht auch irgendwie drauf.

MEPHISTOPHELES.
Wo gehen wir noch hin?

MARGARETE.
Letzte Woche waren wir im Mephisto.

FAUST.
Von mir aus in die Faust.

MEPHISTOPHELES.
Wusste ich irgendwie.

Alle ab.