12 August 2012

The Dashwoods

Bei The Dashwoods schummle ich gern. Eigentlich ist ihre EP Mirage gar kein Début-Album, sondern halt eher eine EP. Das soll uns nicht stören, denn auch The Dashwoods stehen noch am Beginn ihres Schaffens. Dass die Band weiß, was sie da tut, und auch weiß, wo sie damit hin will, hört man schnell. War die Single LoonyBin mit dem Song Rehab im Jahr 2010 noch vergleichsweise rock-poppig, kannte sie aber schon den gewissen Druck, eine atemlose Geschwindigkeit, eine Richtung, - kurz: sie steht für die Bewegung der Band, die sich nach längerer Veröffentlichungspause an einen musikalisch anderen Ort begeben hat. Die Reise war gewiss aufregend: Live-in-Bremen-Sieger im Jahr 2011, Gewinner des Hamburger Musikpreises und Sieger bei Krach und Getöse 2011, Auftritte beim Class’EuRock 2011 in Frankreich, auf dem Reeperbahnfestival, beim Dockville und auf der Breminale.



Knapp zwei Jahre später stehen Daniela – Gesang und Gitarre, Göran – Keyboard und Synthesizer, Antoine – Schlagzeug, Adam – Gitarre und Phillip – Bass, mit einem neuen Tonträger vor uns. Sie überzeugen mit ihrem ganz eigenen Stil und lassen live kaum einen Zuhörer still stehen. Danielas einfühlsame Stimme, die aber auch ungeahnte Kräfte freisetzen kann, verbindet sich mit Phillips pulsierendem Bass und lässt zusammen mit Adams Gitarrenriffs – die können auch zickig sein, wenn ihnen die Bühne nahezu alleine gehört – diese ganz eigene Dashwoods-Musik erklingen.


Im Mai habe ich mit Daniela und Adam ein Interview geführt, das ich Euch hier in Auszügen nicht vorenthalten möchte.

Ihr habt die EP Mirage veröffentlicht. Was ist darauf zu hören?
Adam: Auf der EP sind drei Songs von uns. Das ist Le Grand Final, Evaporate, wozu es auch ein Video gibt bei Youtube und We Are Lost In und dann wurden noch Evaporate und We Are Lost In von zwei befreundeten Elektro-Kapellen geremixt.

Habt Ihr schon einen nächsten Tonträger geplant?
Daniela: Ich würde sagen, wir arbeiten daran, aber wir wollen nicht zu viel verraten, was wir als Nächstes veröffentlichen werden. Ihr könnt Euch auf den Jahresanfang 2013 freuen, da wird auf jeden Fall etwas Neues von uns kommen.

Das ist gut zu wissen. Welchem Genre würdet Ihr selbst Eure Musik eigentlich zuordnen?
Adam: Wenn man es in eine Schublade stecken würde, dann würde man es eher in die Pop-Schublade stecken. Stilistiken, bei denen wir uns auch gerne inspirieren, sind Straighter Rock, aber auch verträumte Sachen. Natürlich haben wir auch Synthesizer, dann dringen natürlich auch ein paar elektronische Einflüsse in unsere Musik. Und mit all den ganzen Einflüssen kommt dann unser Musikstil raus. Aber im Großen und Ganzen ist es Indie-Pop.

Wenn Ihr das kurz umreißen könntet: wovon handeln Eure Texte? Worüber singt Ihr?
Daniela: Allgemein haben wir festgestellt, dass das Thema Romantik eine große Rolle in den Texten spielt – also ich schreibe den Großteil der Texte, etwa 90 Prozent – und es geht um Themen wie Sehnsucht, gefangen sein, neue Themen entdecken. Also so eine Aufbruchsstimmung, in der wir, insbesondere ich, aber auch die anderen in der Band, uns befinden. Und grade dadurch, dass ich die Texte schreibe, drücke ich auch aus, wie ich mich grade fühle. Es sind schon teilweise autobiografische Dinge, nicht komplett natürlich, man projiziert es ja immer auf andere Personen. Aber ja: die Themen sind hauptsächlich Dinge, die mich grade bewegen und die ich anderen mitteilen möchte.

Derzeit seid Ihr auf Tour. Letztens konnte man Euch in Hannover zuhören. Vorrangig waren natürlich junge Menschen bei diesem kostenlosen Konzert im GiG Linden anwesend. Der Saal hat sich zwar ordentlich gefüllt, aber sonst spielt Ihr doch bestimmt vor mehr Menschen. Was war bislang Euer größter Auftritt?

Daniela: Wir haben letztes Jahr im Sommer in Frankreich gespielt. In Aix-en-Provence, das ist in der Nähe von Marseille, da haben wir auf einem Stadtfest gespielt und dort waren einfach unglaublich viele Menschen. Man konnte eine Allee langgucken, wir standen auf der Bühne und da hat man schon so 2000 Leute gesehen. Wie viele jetzt die Musik gehört haben, ist natürlich etwas anderes aber es war auf jeden Fall sehr beeindruckend für uns. In Deutschland, würde ich sagen, war das Dockville-Festival in Hamburg auch sehr bewegend. Es war schon damals, als ich die Band gegründet habe, mein Traum. Ich habe gesagt, ich würde gern mal auf dem Dockville spielen, und als sich das im letzten Jahr ergeben hat, ist das schon ein bisschen der Höhepunkt der Bandgeschichte gewesen. Bis jetzt zumindest. Das war ein wirklich toller Auftritt.

Wo spielt Ihr als nächstes?
 Adam: Jetzt stehen ein paar kleinere im Norden angesiedelte Festivals auf dem Plan. Jetzt am Samstag ist es das Frotheim-Festival in Osnabrück, später stehen dann regionalere Festivals bei uns in Bremen an, wie das Oakfield-Festival, Haut den Lukas und natürlich die Breminale, auf der wir am Donnerstag spielen. Daniela: Da könnt Ihr auch gerne alle vorbeikommen. Das ist kostenlos. Da spielen wir auf der Bremen-vier-Bühne im Zelt. Das ist immer eine ganz nette Sache. Das größte Festival für uns dieses Jahr ist das Helene-Beach-Festival in Frankfurt an der Oder, das ist ein Fünfzehntausender-Festival und dann sind wir gespannt, was diesen Sommer noch so auf uns wartet.


Le Grand Final beginnt mit Keyboard und Gitarre. Immer und immer wiederholen sich die gleichen Akkorde und Riffs. Danielas Stimme bricht besonders kräftig dazwischen und stellt ein paar Fragen, die sich durchs Lied ziehen:

Why don’t you stop to work all day?
Why don’t you stop to work all night?
Waste time to know yourself.

Dieses Lied ist wie eine Aufforderung an uns Alle: Hör damit auf, Dich tagein-tagaus mit so viel Arbeit zu beladen.
Oder eine Feststellung: Du hast doch alles. Du willst trotzdem immer mehr.
Oder eine Vermutung über unsere Zukunft: Deshalb wirst Du deine Selbstausbeutung auch niemals beenden.
Oder eine Prophezeiung: Unter der Last wirst Du zusammenbrechen – Dein großartiges Finale.

Burnout ist ein nur zu aktuelles Thema, das da aufgegriffen wird. Der Song führt uns aber nicht durch die Verpflichtungswirrungen einer Leistungsethik und macht auch nicht die gesellschaftlichen Umstände für die eigene Überarbeitung verantwortlich, sondern legt dem Einzelnen die Verantwortung für sich selbst ans Herz. Ich rechne mit Einsprüchen: Ausbeutung der Arbeiterkaste ist in kapitalistischen Systemen an der Tagesordnung und ein notwendiges Übel. Doch ist das hier überhaupt noch Kapitalismus? Wer nur überleben will, braucht doch grundsätzlich erst mal nichts zu tun als zu atmen, die Wohnung zu beziehen, die der Staat für einen zahlt, das Geld auszugeben, das eine staatliche Institution überweist. Es verhungern nur noch sehr wenige, weil sie nicht arbeiten oder arbeiten können.
In Wahrheit treiben wir uns selbst, weil wir alles Mögliche zu brauchen glauben: Haus, Auto, Urlaub, Ferienhaus, Zweitwagen, Fernreisen. Wer die Reichtumsverteilung auf unserem Planeten grob einordnen kann, wird ergänzen können: unsere Bedürfnisse sind keineswegs echte Bedürfnisse, sondern eine Angewohnheit zum Konsum und zum Besitz, die lediglich kulturell anerzogen ist und mit unserer natürlichen Lebensweise nichts mehr zu tun hat. Neben der endlichen und gleichzeitig übermäßigen Ausbeutung unseres Planeten haben wir auch zu verantworten, dass unsere Gier für viele Menschen in anderen Teilen der Erde tödlich ist – oder für uns selbst, wie The Dashwoods singen.

Laut Byung-Chul Han, dem deutschen Philosophen koreanischer Herkunft, dem Autor des Buchs Müdigkeitsgesellschaft, sind wir in einer neoliberalen Leistungsethik gefangen. Der Neoliberalismus ist eine besonders listige Wirtschaftsform. Wer fremdbestimmt für das Geld des Fabrikbesitzers arbeitet, erreicht eher seine Grenzen, wenn das Produktionsniveau angehoben wird, als derjenige, der sich freiwillig der Selbstausbeutung unterwirft, bis er zusammenbricht.
Wer sich ohne Herrschaft, unter dem Zeichen der Freiheit – und daher so effizient – ausbeutet, hat zumeist Versagensängste, denn wenn er pleitegeht, meint er, dafür hauptsächlich selbst verantwortlich zu sein. Nebenbei wird der eigene Erfolg auf dem Misserfolg des Anderen aufgebaut, was Konkurrenz fördert und die Bildung eines Kollektivs, das sich gegen das vorherrschende System stellen könnte, erfolgreich verhindert.

Wenn Du grade festgestellt hast, dass Du eigentlich doch Zeit hat, findest Du The Dashwoods auf Facebook, auf Youtube und ihrer Homepage, die mit besonderem optischen – und unter dem Punkt Musik natürlich auch akustischem – Wohlgefallen brilliert. Die EP Mirage ist bei Amazon und in ausgesuchten Elektrofachhändeln käuflich zu erwerben.

Tut Euch den gefallen!