Wie Goethes Faust als Einflussgröße auf den Film Lost Highway von David Lynch gelten
kann.
Nach
der Kinovorstellung warten die drei jung gebliebenen Cineasten und ehemaligen
Charaktere aus Der Tragödie erster Teil
auf die Zehn nach Linden. Währenddessen bleibt Zeit für eine tiefergehende
Auseinandersetzung mit der vermeintlichen figurativen Wiedererkennung von
Faust, Mephistopheles und Margarethe in Lost
Highway.
Alles
steht und fällt mit dem namenlosen Mystery Man. Die Bezeichnung Mystery Man
selbst kann lediglich aus dem Abspann entnommen werden. Ein offensichtliches
äußerliches Merkmal ist sein blass-weißes Gesicht, das an die verfilmte Faust-Inszenierung von Gustav Gründgens
erinnert. Gründgens ist in der Rolle des Mephistopheles weiß geschminkt. Ab
diesem Punkt lohnt es sich, die Handlungen dieser beiden Figuren miteinander zu
vergleichen, nur, um bald auf Widersprüchlichkeiten zu stoßen: Faust lädt den
Pudel, dessen Kern Mephistopheles ist, zu sich ein. Der Protagonist des ersten
Filmabschnitts, Fred, lädt den Mystery Man hingegen nicht ein, doch sagt ihm
dieser, dass er seine Wohnung nicht ohne Einladung betreten hätte. Er würde
nicht dort auftauchen, wo er nicht erwünscht sei. Das sagt Mr. Mystery, als er
auf Andys Party vor Fred steht. Er reicht ihm ein Mobiltelefon und offenbart
ihm, dass er gleichzeitig auch in Freds Haus sei und fordert ihn auf, zuhause
anzurufen. Mr. Mystery hebt dort den Hörer ab und es entsteht ein Trialog mit
zwei Gesprächspartnern – oder ein Dialog mit drei Gesprächspartnern. Die
Bezeichnungsmöglichkeiten für ein derartiges Setting scheinen vielfältig zu
sein. Anders als der selbstbewusste Faust, der Mephistopheles bei sich zuerst
einsperrt, also den Teufel fängt, weil dieser seinen standestypischen
Reglementierungen zum Betreten und Verlassen von Häusern unterworfen ist,
fürchtet Fred den Mystery Man, den er tatsächlich – soweit er sich erinnern
kann – nicht eingeladen hat. Fred fragt Mr. Mystery, wer er sei. Der lacht. Mephistopheles
antwortet auf diese Frage weitaus lieber.
MEPHISTOPHELES
Ein Theil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets
das Gute schafft.
Faust
erkennt ganz richtig den anstößigen Teil der Aussage und fragt nach.
FAUST
Du nennst dich einen Theil, und
stehst doch ganz vor mir?
Darauf
antwortet Mephistopheles ausschweifend und nimmt Bezug auf seine historische
Herkunft aus den dunklen Zeiten alles Seienden. Prinzipiell bleibt seine
Aussage unverständlich. Es bleibt zu vermuten, dass Mephistopheles bereits ein
Teil des Dunklen war, noch bevor durch Gott Licht wurde. Wenn auch der Mystery
Man ein Teil dieser Dunklen Macht ist, auftauchen kann, wo immer er möchte,
kann zumindest von einer Aufteilung seiner Person die Rede sein, nicht aber von
der Aufteilung einer dunklen Macht zwischen mehreren Vertretern dieser Macht.
Vieles um Mr. Mystery muss Mysterium bleiben. Er spricht sehr wenig und erklärt
nichts.
Der Zuschauer muss weitere Übereinkünfte
aus den Bildern ablesen. Wäre Lost
Highway als Novelle verfasst, müsste das handlungsleitende und immer wieder
auftauchende Dingsymbol, das nach Boccaccios Falkennovelle auch als der
Falke bezeichnet wird, der Videofilm sein. Dick Laurent und Andy sind
Größen des Pornogeschäfts, während Fred und Renée dreimal Videokassetten vor ihrem
Hauseingang auffinden – so oft muss Faust Mephisto herein bitten bei seinem
zweiten Besuch. Aufnahmen ihres Hauses, Aufnahmen vom Inneren ihrer Wohnung und
schließlich Aufnahmen, die die Eheleute beim Schlafen zeigen, sind darauf zu
sehen. Am Schluss trägt Mr. Mystery selbst eine Videokamera bei sich. Die
Verknüpfung mit Mephistopheles muss einige Umwege einnehmen, führt jedoch ins
Ziel: Noch in der Kennenlernszene jammert Mephistopheles, dass der Mensch nicht
totzukriegen sei, egal wie viele Exemplare dieser Spezies er bereits begraben hätte.
Frisches Blut sei immer wieder im Umlauf.
MEPHISTOPHELES
Der Luft, dem Wasser, wie der
Erden
Entwinden tausend Keime sich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen,
Kalten!
Hätt‘ ich mir nicht die Flamme
vorbehalten;
Ich hätte nichts apart’s für
mich.
Luft,
Wasser, Erde und Feuer sind die vier Basiselemente. Seitdem Gott der Welt das
Licht beschert hat, sprießt es auf ihr an allen Ecken und Enden. Im Dunkeln sei
damit nicht zu Rechnen gewesen. Der einzige Ausweg des Teufels, seine einzige
Spezialisierungsmöglichkeit war das Feuer als tötendes Element. Doch wie man
von Waldbränden und Asteroideneinschlägen weiß, bietet das Vernichtende immer
den Raum für einen Neuanfang und ist damit auf mittelfristiger Sicht viel eher
der Erschaffer von etwas Neuem. Davon abgesehen ist die unfreiwillige Wahl des
Elements Feuer für jemanden, der im tiefen Dunkel seine Heimat hat, der blanke
Hohn. Wasser kann nachtschwarz daliegen. Unter der Erde ist es für gewöhnlich
Stockduster. Luft als Medium leuchtet ebenso wenig von selbst. Nur das Feuer,
Mephistopheles Element, bringt Licht, wo immer es brennt. So ist der Teufel
schließlich gar zum Verwalter der Helligkeit geworden und Gott ist auf sein
Element angewiesen, wenn es darum geht, Licht werden zu lassen. Aus der
mythologischen Vergeblichkeit dieser Kraft, die demnach folgerichtig zwar das
Böse will und stets das Gute schafft, soll der Blick wieder in die Welt von Lost Highway gelenkt werden: Das größte
brennende Feuer unserer Vorstellungskraft ist die Sonne, sie verschießt – Unter
Berücksichtigung einer naturwissenschaftssprachlichen Unschärfe –
Lichtteilchen. Der Film bannt sie, macht sie sich zunutze. Mr. Mystery nutzt in
der Rolle der teuflischen Instanz also im weitesten Sinne sein eigenes Element
Feuer. Ein pikantes Detail: Er filmt nur bei Kunstlicht. Er taucht generell nur
bei Dunkelheit auf. Selbstverleugnung?
Faust. Der Doktor. Mephistopheles
soll ihn in der Wette mit Gott in Goethes Drama vom rechten Weg abbringen. In Lost Highway ist niemand als diese
gelehrte, aber daran verzweifelnde Person zu erkennen, die wissen möchte, was
die Welt im Innersten zusammenhält. Der Mystery Man besucht Fred und Renée. Der
Verdacht liegt nahe, Fred die Faust-Rolle aufs Auge zu drücken und abzuwarten, wie die Dinge sich
entwickeln. Mephistopheles Plan, Faust ein wenig mehr Leben einzuhauchen, ist
die Liebe. Er entzündet sie durch einen Trank. Gretchen wird seine Geliebte.
Fred befindet sich aber bereits in einer Ehe. Er ist charakterlich blass,
abgesehen von seinem virtuosen Saxophonspiel, und lebt mit der wortkargen Renée
zusammen. Das Sexualleben der beiden ist äußerst unbefriedigend. Renée erhält
allein durch die Beziehung zu Fred eine vorläufige Gretchenrolle.
Die Geschehnisse werden
unverständlicher, als Renée auf dem letzten der Videobänder schließlich in
Stücken zerstreut auf dem Schlafzimmerboden liegt. Fred kniet inmitten ihrer
Überreste und scheint orientierungslos. Auf die Verurteilung zum Tod durch den
elektrischen Stuhl folgt Freds Inhaftierung und die Verwandlung in den jungen
Automechaniker Pete Dayton in seiner Zelle.
Der wiederum – ist er einmal aus dem
Gefängnis entlassen, weil es keinen Grund gibt, jemanden gefangen zu halten,
der auf unerklärliche Weise und unschuldig in die Zelle gelangt ist – entpuppt
sich als äußert potent im Umgang mit seiner Freundin Sheila. Übertragen auf Faust ist Fred die Faustversion vor dem
alles verändernden Zaubertrank. Pete ist das Resultat der Hexerei. Ein echtes
Gretchen ist nicht mehr vorhanden.
An
diesem Punkt, bevor hier Figuren ein allzu starres Muster gepresst werden, muss
grundsätzlich nach dem Sinn dieses Vergleichs und nach der allgemeinen
Deutbarkeit des Werks gefragt werden. Antworten fallen jedoch dürftig aus. Es
gibt zwei Wege, diesem Film zu begegnen: Der erste nähert sich auf rationaler
Ebene und stellt fest, dass Dinge geschehen, die in der realen Welt nicht vorkommen.
Menschen verwandeln sich nicht in andere Menschen oder teilen sich gar auf. Was
analysierbar bleibt, sind reliable Bruchstücke des Werks. Der Rest kann nur im
Kopf eines Protagonisten stattfinden. Nach dieser Sichtweise addieren sich drei
Kopfsachen: Der Filmschaffende hat eine Vision, während der Zuschauer das
fertige Werk beim betrachten mental verarbeiten muss. Schiebt der Analyst nun
eine weitere Fiktionsebene in die fiktive Welt des Filmschaffenden ein, ohne
dafür klare Anhalte im Werk zu beweisen – etwa Wechsel zwischen Traum und
Realität, verliert das ‚zweimal-nicht-Echte‘ mitunter schnell seinen Reiz bei
dem Versuch, die Filmfiktion in eine Realität zu übertragen. Die zweite
Sichtweise akzeptiert die Unausdeutbarkeit und sieht alles was passiert als
wahres, sich ereignendes, die menschliche Fassungskraft aber übersteigendes
Geschehen an. Auf diesem zweiten, sehr viel offeneren Pfad, der die Existenz
von sich selbst zerfleischenden und andernorts wieder materialisierenden
Menschen nicht anzweifelt, können Vergleiche mit anderen Werken viel offener
geführt werden, weil offen mystische Fiktion auf fiktionale Mystik treffen
kann.
Wie zu Beginn des zweiten Teiles in Lost Highway Gretchen fehlt, sollte sich
der Faustkenner fragen, worin sich die Handlungsmotivation für Mr. Mystery
verbirgt. Es gibt nämlich keine gottgleiche Figur. Zumindest bis jetzt. Doch Faust lässt sich in Lost Highway ohne Gott nicht denken. Den Übervater. Der, der an
einen glaubt und sich um einen kümmert. Ein typischer Gott eben. Ein alter
Mann. Dieser alte Mann tritt auf, als Pete den ersten Arbeitstag nach seiner
Gesundung hat. In einem stark übermotorisierten Mercedes Baureihe 116 rollt Mr.
Eddy, der auch als Dick Laurent bekannt ist, bei Petes Werkstatt vor. Im Zuge
einer kleinen Reparatur begleitet Pete seinen Gönner auf einer Testfahrt. In den geschlungenen Straßen einer kargen
Westküstenhügellandschaft geschieht eine denkwürdige Szene. Ein anderer
Verkehrsteilnehmer, ein Mann um die 40 Jahre, fährt in seinem Möchtegernsportwagen
zu dicht auf und Überholt erst mittelfingerreckend, als Mr. Eddy ihn dazu per
Handzeichen auffordert. Anschließend vollführt der endlos getunte, aber nach
außen ganz brav wirkende Mercedes eine blitzschnelle Aufholjagd. Schließlich
wird der Drängler von der Straße abgedrängt, wo Mr. Eddy ihn von seinen Leibwächtern
aus dem Wagen zerren lässt. Die anschließende, verunglimpfende Rede, die Mr.
Eddy unter vorhaltender Waffe vollführt, hat im Grunde nur eine Botschaft: Geh
zur Fahrschule! Lerne, wie dicht man bei welcher Geschwindigkeit auffahren darf!
Beruflich betätigt sich Dick Laurent – welch phallisch-sprechender Name – im
Pornogeschäft. Noch in der Fred-Episode hieß es auf Andys Party, dass der
Mystery Man ein Freund von Dick Laurent sei. Und Andy, zu dem Renée wegen eines
‚Jobs‘ Kontakt hat, arbeitet für ihn. Das Beziehungsgeflecht verdichtet sich.
Je nach persönlichem Gottesbild sind
die folgenden Ausführungen leichter oder schwerer nachvollziehbar. Nicht jeder
wird mit der These konform gehen, dass ein glatzköpfiger alter Mann, der viel
Geld im Pornogeschäft zu verdienen scheint, als Gottesdarstellung durchgehen
kann. Ein religionskritischer Blick lädt jedoch grade dazu ein: Noch bis zum
Papst Benedikt XVI fuhren die Gottesstellvertreter auf Erden im Papamobil der
Marke Mercedes umher. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Stellvertreter eine
andere Marke als sein Chef fahren sollte. Ein weiteres Standbein der Kirche ist
natürlich Frauenverachtung: Hexen wurden verbrannt. Noch immer erhalten Frauen
nicht die Priesterwürde. Bisher war von keiner Kardinälin zu hören. Erschreckend
wenige Evangelien wurden von Frauen verfasst. Selbstverständlich muss Gott ein
Mann sein. Selbstverständlich muss Gott Frauen unterdrücken. Plakativer und
elementarer als durch Pornografie ist das kaum möglich. Ein weiteres Männergebiet
sind – hier sei von Ausnahmen abzusehen – schnelle Autos. Dick Laurent verfügt
über ein schnelles Auto. Er lässt sich darum kümmern, dass sie immer makellos
funktionieren. Neben seinem Pornoimperium kümmert sich Dick Laurent, wie zu
ersehen war, um Verkehrssünder. Allein der Ausdruck ‚Verkehrssünder‘ im
Deutschen legt ein Zeugnis davon ab, dass Straßen etwas Heiliges sein müssen,
dass es mit allen Mitteln gegen den Moloch des Regelbruchs zu verteidigen gilt.
In
Lost Highway versucht Pete sein
Dasein wieder zu normalisieren. Teilweise halluziniert er. Fred steckt in ihm.
Jazz-Saxophonmusik erträgt er nicht. Am Tag nach Mr. Eddys Machtdemonstration
bringt dieser seinen Cadillac zur Reparatur. Im Fahrzeug sitzt Alice: blonde Locken,
helle Haut. Zur Feierabendzeit kehrt sie ohne Mr. Eddy zurück. Sie verführt
ihn. Petes Affäre mit einer Frau, die eigentlich zu seinem Gönner gehört,
beginnt. Eines Abends ruft Mr. Eddy bei Pete an. Zuvor hat er ihm
unmissverständlich klar gemacht, dass jeder, der ihm Alice rauben möchte, mit
dem Schlimmsten rechnen muss. Dick Laurent reicht das Telefon weiter. Mr.
Mystery sitzt neben ihm. Nach einer belanglosen Unterhaltung mit ihm ist
zumindest dem Zuschauer klar: Das Spiel – worum es auch immer gehen mag – beginnt
von Neuem.
Der Faustvergleich bekommt in dieser
Szene eine lang erwartete Unterfütterung: Gott und Mephistopheles sitzen
beisammen und stellen jemanden auf die Probe. Pete folgt aber viel zu sehr
seinem Verlangen nach Alice, als dass er Mr. Eddy gegenüber loyal bleiben
könnte. Schließlich fordert Alice Pete auf, mit ihr zusammen Andy zu
überfallen, um mit dem erbeuteten Geld fliehen zu können. Das geschieht. Andy
stirbt. Weit draußen in der Wüste beginnt der letzte Akt: Pete verwandelt sich
zurück in Fred. Alice ist verschwunden. Der Mystery Man erscheint stattdessen –
und gleichzeitig die Frage nach dem Personal: Wenn Mr. Mystery zeitgleich mit
dem Verschwinden von Alice, die übrigens nur eine andere Form der toten Renée
ist, auftaucht, könnte das bedeuten, dass der Mystery Man gleichzeitig in den
beiden Frauen steckt. Das Des Pudels Kern-
Motiv taucht hier auf. Allerdings spricht gegen die These der Personalunion
aus Mystery Man, Alice und Renée, dass sowohl Mr. Mystery als auch Renée auf Andys
Party anwesend waren. Dafür spräche, dass Fred plötzlich des Nachts das Gesicht
vom Mystery Man an seiner Frau entdeckt. Und durch Freds Telefongespräch mit
dem Mystery Man, der gleichzeitig vor ihm stand, ist auch bewiesen, dass eine
Zweiteilung seiner Person prinzipiell möglich ist. In diesem Zusammenhang wird
seine Erklärung wieder interessant, nach der er nicht dort auftauche, wo er
nicht gewünscht sei, er also eine Einladung brauche. Könnte Fred die mysteriöse
Persönlichkeit gar im Körper seiner Frau nach der Hochzeit über die Türschwelle
hinein getragen haben? Immerhin wäre das eine unmissverständliche Form der
Einladung. In letzter Konsequenz muss das Personengeflecht aber ohne
abschließende Deutung bleiben.
Lohnenswert ist auch die
Untersuchung des Schlusses: Mr. Eddy beginnt einen Kampf gegen den
zurückverwandelten Fred, der ihn aus dem
Kofferraum seines Wagens holen will. Plötzlich erscheint der Mystery Man und
legt Fred ein Messer in die Hand. Damit schneidet er Dick Laurents Kehle auf.
Der wird anschließend vom Mystery Man erschossen. In der Figuration von Gott
und Mephistopheles ergäbe sich hier eine Art des Showdowns der Mächtigen. Fred
und Pete können als Gehilfen des Mystery Man gelten, die erst Andy – wenn auch
ungewollt – umbringen und schließlich Dick Laurent stark verwunden. Im
Endeffekt bedeutet das einen Sieg des Teuflischen übers ‚Göttliche‘.
Schließlich ist die Gottesfigur Dick Laurent tot, woraus auch der Filmtitel
abgeleitet werden könnte: Der Frieden auf den Straßen ist verloren, wenn dessen
Hüter verschieden ist.
Selbstverständlich
müssen bei einer Deutung nach diesem Muster Einwände zugelassen werden. Gott
als allmächtiges und unsterbliches Wesen besitzt gar kein Leben, das es
verlieren kann. Seinen Fähigkeiten nach würde der Zuschauer eher dem Mystery
Man solcherlei Attribute zuschreiben, während Dick Laurent tatsächlich ein
einfacher Mann ist, der einen mächtigen Freund sein Eigen nennen konnte. Noch
kurz vor seinem Tod beschwört er eine Augenhöhe mit dieser Person, die gerade
eine Waffe auf ihn richtet. Wenn dies das einzige Ziel des Mystery Man war,
gilt es die Frage zu stellen, weshalb er Pete und Fred dazu gebraucht hat.
Auch diese Frage führt nur zu
ratlosen Gesichtern. Schon wieder müssen Undeutbarkeit und Unerklärlichkeit
eingeräumt werden. In der Klärung, ob Goethes Faust einen Einfluss auf Lost
Highway gehabt haben kann, war es nicht möglich, die schnellste Route zu
wählen. In Sackgassen, über Umwege und an unfertigen Baustellen vorbei hat der
Weg zur Erkenntnis geführt, dass der Mystery Man über Fähigkeiten verfügt, die
das menschliche Fassungsvermögen übersteigen und die denen des Mephistopheles
ähnlich sind. Jede weitere Übereinstimmung mit Faust kann nur in Folge dieses stabilen Fundaments aufgegriffen
werden. Isolierte Beweisführungen dürften teilweise einer belastbaren Grundlage
entbehren. Lynch gilt es dies zugute zu halten: Sein Film ermöglicht die
Assoziation mit einem literaturgeschichtlich bedeutsamen Werk, ohne andauernd
darauf zu referieren. Wer eine einfache Antwort verlangt, dem sei gesagt: Ja, Faust kann als Einflussgröße für Lost Highway gelten, aber eigentlich
auch wieder nicht.