Vor dem Briefing stehen die
Flugzeuge am Start. Geputzt, mit Haubentuch versehen, wir schwitzen schon
wieder. Nach dem Briefing steht die Aufgabe für die Standardklasse: 400km. Die
Erwartung der Wettbewerbsleitung orientiert sich an den vergangenen Tagen: später
Start, dann aber gute Schnitte bei 2000 Meter Basis.
Nachdem mich die Wilga bei 35
Grad Celsius rausgequält hat, finde ich mich in unrundem Steigen wieder. Zu
Beginn zwei Meter, dann erheblich weniger. Unser IJK-BP-BD-Team findet sich
zusammen, nur keinen passablen Bart. Das Pulk hängt ganz oben. Die Abfluglinie
öffnet für Aufgabe A um halb drei – gegen einigen Protest aus dem Pilotenfeld.
Eine erheblich kleinere B-Aufgabe, die schon seit dem Briefing
niedergeschrieben auf violetten Aufgabenzetteln in der Seitentasche des Discus
liegt, wird nicht zum Einsatz kommen.
Wer kann, fliegt ab, als die
Linie öffnet. Wir als letzte Starter brauchen noch gut 25 Minuten, um in 1600
Meter Höhe zu kommen. Unser erster Schenkel nach Burg verläuft gut. Wir haben zuerst
Bennet CG dabei und durchpflügen die trübe Warmluftsuppe mit den
pulsierend-unrunden Bärten, die für eine Strecke von 400 Kilometern viel zu
schwach sind. Es dauert gar nicht lange und wir bekommen das erste Mal
Sichtkontakt zum Standardklassepulk, das vor uns kreist.
16 Kilometer vor der Wende Burg
sind wir das letzte Mal an der Basis in eins-sechs. Die Wende nehmen wir in
eins-drei und schwenken auf Südostkurs nach Torgau. Zwischendurch hatte uns
Timms SeeYou eine Ankunftszeit von Viertel vor Acht angezeigt – bei einem
vorausgesagten Thermikende um halb Sieben würde das sportlich werden, selbst wenn
wir unseren 75er Schnitt vom ersten Schenkel halten. Vor uns und tiefer kreisen
sie. Zuhause kommen wir nicht mehr an,
so viel steht jetzt fest, denn die hohen fleddrigen Wolken auf Kurs, die an der
Elbe entlang zerfallen, bringen uns kein gutes Steigen. Trotzdem – und das ist
rückblickend ein Fehler – lassen wir uns von Zeit und Strecke treiben;
verschmähen alles Steigen unter zwei Sekundenmetern.
Das geht soweit, dass wir um
zwanzig nach fünf Uhr Ortszeit über einem Waldgebiet im Westen Torgaus in 500
Metern ankommen. Ein Flugzeug landet grade auf einem Acker im Norden des
Waldes. Wir sind schonmal nicht letzter, aber der Flug ist grundsätzlich
gelaufen.
Null-Acht bis Null halten uns.
Bis Torgau-Flugplatz reicht unsere Höhe grade so aus. Drei Hirne fliegen
sicherer als eins und kommen auf einen Nenner: wir kennen den Platz nicht,
müssen die Frequenz schnell rasten, in 170 Metern guckt man sich nicht mehr
großartig um. Außerdem ist in Roitzschjora eine Quali-Meisterschaft. Der Platz
könnte also schon von anderen
Segelflugzeugen so überfüllt sein, wie letztens Burg. Ein abschließender Versuch sei erlaubt: Die
Holzverarbeitung im Süden der Stadt Torgau. Kein Steigen.
Timm ist der tiefste von uns. Er
stürzt sich in ein grünes Feld. An dessen Ende wartet ein Kaufland auf uns, ein
Obi, ein McDonalds, ein Chinesischer Imbiss, zwei Friseure, eine
Haustierhandlung, ein Dönermann, ein Schuhgeschäft, ein Vodafone- und ein
Telekomanbieter, ein Sparkassenautomat. Der Acker war weich. Und er ist groß. Wir
drei hätten gut und gerne parallel landen können. Hier. In Torgau. Neben der
Müllkippe. Als wir das Feld verlassen, stehen wir auf dem Obiparkplatz.
Wir schließen mit einem Lachen
diesen Tag und den ganzen Wettbewerb ab. Was ist falsch gelaufen? Unser
Teamflug war ok. Ein Siebziger auf dem ersten Schenkel ist nachmittags bei
dieser schlechten Sicht und dem schwachen Steigen ok. Weniger ok ist, dass wir
wieder hinter dem Hauptfeld abgeflogen sind. Rückblickend haben wir aber keine
Sekunde gepokert. Es war einfach kein Hochkommen bis zur Öffnung der
Abfluglinie. Zumindest für uns. Chancengleichheit? – von wegen! Um nicht all
unser Scheitern auf die Wettbewerbsleitung abzuwälzen ist uns anzukreiden, dass
wir die schwache Thermikentwicklung über den Tag fehlinterpretiert und erst
viel zu spät das Ziel hatten, einfach nur hochzukommen. Tages- und
Gesamtwertungsplatz 25 für uns.
Nach der Beendigung unserer
Irrfahrt durch die Lüfte geben wir uns einer Odyssee durch die Konsumtempel
hin: Jonas findet im Obi leider kein Federstahldrat, den er für seine
Mückenputzer braucht. Im Kaufland gibt es zwar Eis, aber kein kaltes Bier.
Kurzerhand verstecken wir einen Sechserträger Bier in einer Kühltruhe und
bedecken ihn mit Eis. Nach unserem ersten Abendmahl im Restaurant zur Goldenen
Möwe werden wir ihn dort gekühlt ausgraben, noch ein Boule-Spiel bei Obi kaufen
und uns zumindest noch etwas bewegen, während die anderen Piloten auf dem Weg
nach Perleberg entweder außenlanden oder direkt abbrechen und nach Stölln
fliegen. Kein Flugzeug kommt am Freitag mit einer Zeitwertung an.
Eine Strecke unserer Rückhole ist
195 Kilometer lang. Nachts um halb zwei sind wir zuhause und können ausschlafen,
denn am Samstag wird mit einem Frontdurchgang gerechnet: Vorerst kein Startaufbau,
Briefing um zehn Uhr. Es wird neutralisiert. Nach sechs Tagen fliegerischer
Aktivität nehmen wir diese Verschnaufpause gerne an. Ohnehin haben jetzt beide
Klassen fünf Wertungstage. Damit ist die Meisterschaft ab jetzt gültig und wir
müssen nicht mehr bei jedem falsch eingeschätzten Wetter auf den Acker gehen.
Eigentlich ist ja heute die 15.
Bundesligarunde. Jonas fährt an den Platz und möchte sich einen Schlepper
organisieren. Doch schon um 13 Uhr ziehen die ersten Schauer durch das
Havelland und der Himmel ist zu 8/8 bedeckt.
Das wird ein entspannter Samstag.